Ästhetische Bildung: Zwischen Eigensinn und Nutzbarmachung

Schöne Bilder und lustvolles Spiel fördern Erfahrung und Lernen - fragt sich nur, zu welchem Zweck. Mehr dazu im neuen Magazin

Durch Schönheit zur Freiheit? Im Angesicht von Globalisierung, Neoliberalismus und Digitalisierung wird Friedrich Schillers über 200 Jahre alte "ästhetische Erziehung" wieder brisant. Sie strebt mit den Mitteln der Ästhetik nach Befreiung und Emanzipation. Die neueste Ausgabe der Online-Fachzeitschrift "Magazin erwachsenenbildung.at" (Meb) zeigt auf, wie sinnliche Wahrnehmung, ästhetische Gestaltung und spielerische Umsetzung das Bildungsgeschehen verändern. Dabei fördern sie das große kritische Potenzial der Ästhetik zu Tage.Das neue Meb steht ab sofort kostenlos zum Download bereit und ist auch als Druckversion zum Selbstkostenpreis von EUR 13,20 erhältlich.


Bildung ist ohne Ästhetik undenkbar
Lernen und Bildung sind ohne eine ästhetische Dimension kaum zu denken. Die kreative Aufbereitung von Lerninhalten, eine geschärfte Wahrnehmung und das aktive Erleben und Empfinden fördern die Aneignung der Welt und deren Mitgestaltung außerordentlich. Aber muss alles Lernen zum lustvollen Spiel umgestaltet werden, damit die Lernenden vor die Bildschirme gelockt werden und scheinbar "wie von selbst" lernen? Wer profitiert von dieser Ästhetisierung und Gamification? Spannende Fragen, denen 17 Autorinnnen und Autoren in der neuen Ausgabe des Magazin erwachsenenbildung.at auf 120 Seiten nachgehen.

Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt
Dank Smartphones, Computern, Spielekonsolen und anderen Geräteklassen zählt inzwischen ein enormer Teil der Weltbevölkerung zur "Spiele-Kultur". Beim Spielen geht es aber längst nicht mehr um das reine Vergnügen. Handel, Arbeitgeber und auch Bildungseinrichtungen nutzen das Spiel als Trainings- und Motivationsinstrument, als Anregung für den Kauf von Produkten ebenso wie zum Erwerb neuer Verhaltensweisen. Die Verwendung ästhetischer Darstellungen und spielerischer Elemente, Mechaniken und Netzwerke zu Zwecken des Lernens und der Verhaltensbeeinflussung nennt sich "Gamification". Gemeint ist damit ein spielerisch-Machen von Handlungen, die sonst womöglich als unangenehm, schwierig oder gar belastend erlebt werden.

Kein Spiel um des Spieles Willen
Ästhetische Wahrnehmung, Darstellung und Spiel sind längst kein Selbstzweck, meinen die HerausgeberInnen des neuen Meb, der Medienkünstler Armin Medosch, der Bildungsforscher Stefan Vater und die Ö1 Radio-Journalistin Ina Zwerger. Was dahinter jedoch wie eine riesengroße dunkle Wolke lauert, sei die Frage der Beschäftigbarkeit von Menschen. Kreativität ja, aber nur im Sinn einer strikten kapitalistisch-rationalistischen Verkürzung der Bildungsidee. Damit der Mensch lernt, all seine Sinne, Talente und Geschicke, einschließlich der sprachlichen, schöpferischen Fähigkeiten im globalisierten, neoliberalen Wettbewerb einzusetzen. Dazu gibt es jedoch eine Reihe von Gegenprogrammen.

Authentisches Lernen statt lebensferner Bildung
Landläufig erwarten wir unter Ästhetischer Erziehung eine Bildung zur Kunst und Kultur. Die Beiträge der vorliegenden Ausgabe vermögen aber zu zeigen, dass es um viel mehr gehen kann und gehen soll: Ästhetische Bildung steht in deutlichem Zusammenhang mit einer Kritik am Bildungssystem als einem Ort, an dem Lernende vom eigentlichen Leben und von authentischem Lernen an echten Aufgaben und Problemen entfremdet werden. Ästhetik wird dem gegenüber zum Moment der Erschließung des Augenblicks, zum Moment des Erlebens und des Spiels. Es geht um eine Aneignung des Lebens, den eigenen Sinn zu finden und zu entfalten. Die Beschönung von Oberflächen um des Lernens und der Bildung Willen wird von den AutorInnen (eher) verneint, vielmehr plädieren sie für Authentizität. Eine so verstandene Ästhetik trägt das Anliegen der Emanzipation immer schon in sich - nicht nur individuell, sondern auch kollektiv und politisch. Das war auch bei Friedrich Schiller schon so gemeint.

Durch Schönheit zur Freiheit
Wo die Wahrnehmung, Sinnlichkeit und Kreativität der Menschen von Ausbeutung bedroht ist, gewinnt Schillers "ästhetische Erziehung" für die Bildung wieder an Bedeutung. Sie strebt mit den Mitteln der Ästhetik nach Befreiung und Emanzipation. Nutzbarmachung und Eigensinn sind also die Pole, zwischen denen sich eine ästhetische Bildung bewegt. Die AutorInnen der neuen Ausgabe Meb reflektieren in diesem Zusammenhang über ästhetische Bildung, Erfahrung und Wahrnehmung in Theorie und Praxis, in Kunst und Musik und fördern dabei das große kritische Potenzial der Ästhetik zu Tage. Die Beiträge spannen einen Bogen von Gamification über intergenerative Kulturvermittlung bis zu politisch-partizipativer Theaterarbeit und szenischer Lehrforschung.

 

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